Die Treuhandanstalt  
Organisation, Arbeitsweise, Legitimation, Wirkungen und Erbe  
Von Roland Czada, Osnabrück  
Der stärkste Gegensatz zwischen den beiden deutschen Staaten bestand in ihren Ei-  
gentumsordnungen. Das übergeordnete Ziel der Treuhandanstalt (THA) war die  
Überführung kollektiven in privates Eigentum. Im März 1990, vier Monate nach dem  
Fall der Berliner Mauer, übernimmt sie das gesamte Wirtschaftvermögen der bis zur  
staatsrechtlichen Vereinigung am 3.10.1990 fortbestehenden DDR. Neben 12.354  
Unternehmen mit 45.000 Betriebsstätten und mehr als vier Millionen Beschäftigten  
waren es 25.000 Gaststätten, Handwerksbetriebe und Ladengeschäfte, 1839 Apothe-  
ken, 390 Hotels, zahlreiche Kinos, 42 000 Liegenschaften darunter mehrere Millionen  
Hektar Land- und Forstwirtschaft, Sportplätze, Brücken und Landungsstege, die ge-  
samte Energie- und Wasserversorgung, die Betriebe des öffentlichen Nahverkehrs,  
zahlreicheWerkskindergärten undBetriebskantinenundsogareinGefängnis, daseinem  
Rostocker Werftenkombinat angegliedert war, insgesamt etwa 40 Prozent der Fläche des  
in Auflösung befindlichen Arbeiter- und Bauernstaates.1  
30 Jahre später ist die Abwicklung der DDR-Planwirtschaft durch die Treuhandanstalt  
im kollektiven Gedächtnis Ostdeutschlands immer noch fest verankert. Wo jede Stadt,  
jeder Betrieb und fast jede Familie von ihrer Tätigkeit betroffen waren, erinnern sich  
91 Prozent an sie, während 41 Prozent der Westdeutschen noch nie von ihr gehört  
haben. Von denen, die sich erinnern, meint die Mehrheit, sie habe ihren Auftrag  
schlecht erfüllt, wobei die schlechte Note im Osten weit häufiger vergeben wird als im  
Westen. Mehr als die Hälfte der 2019 dort Befragten geben ihr die Schuld am öko-  
nomischen Rückstand gegenüber den westlichen Landesteilen. Diese Einstellungsun-  
terschiede markieren eine anhaltende Spaltungslinie im vereinten Deutschland (Tabelle  
1).  
Von Erinnerungen zehrt auch eine überbordende Treuhandliteratur, die sich inzwi-  
schen aus historischer Ferne dem Thema nähert2. Allein die Stichwortsuche Treu-  
hananstaltin den Bibliotheksverbünden der Bundesländer ergibt über 1.000 Treffer.  
Vertreten sind die Wissenschaftsdisziplinen Ökonomie und Managementlehre,  
1
2
Kemmler, Die Entstehung der Treuhandanstalt, Von der Wahrung zur Privatisierung des DDR-  
Volkseigentums, 1994, S. 175f.  
Böick, Die Treuhand, Idee Praxis Erfahrung 19901994, 2018; ders., Zeitschrift für  
Politikwissenschaft (ZPol) 2020, S. 1.  
Recht und Politik, Beiheft 8 (2021), 42 –57  
Duncker & Humblot, Berlin  
Roland Czada  
Rechtswissenschaft, Psychologie, Gesellschafts- und Politikwissenschaft, Geschichte,  
Verwaltungswissenschaft bis hin zu Literaturwissenschaft und Bellestristik wenn man an  
an den Treuhand-Roman Ein weites Feldvon Günther Grass oder Rolf  
Hochhuths Bühenstück Wessis in Weimardenkt.  
Tabelle 1  
Erinnerungen an die Treuhandanstalt in Ost und West  
Fragen  
Antworten Ost Antworten West  
Ja: 91  
Nein:  
Ja: 59  
Nein: 41  
Ist die Treuhand heute noch ein Begriff?  
9
Eher gut:  
9
Eher gut:13  
Eher nicht gut: Eher nicht gut:  
71 30  
weiß nicht/un- weiß nicht/un-  
Wie hat die Treuhand alles in allem ihre Arbeit gemacht?  
bekannt: 20  
Ja:  
Nein: 71  
bekannt: 57  
9
Ja: 13  
Nein: 30  
Hat die Treuhand genug dafür getan, möglichst viele Ar-  
beitsplätze zu erhalten?  
weiß nicht/un- weiß nicht/un-  
bekannt: 20  
bekannt: 57  
Ja: 59  
Ja: 25  
Waren Betrug, Korruption und Veruntreuung bei der  
Treuhand an der Tagesordnung?  
Nein: 15  
weiß nicht/un- weiß nicht/un-  
Nein: 17  
bekannt: 26  
bekannt: 58  
Ja: 52  
Ja: 18  
Steht der Osten wegen der Treuhand heute immer noch  
wirtschaftlich schlechter da als der Westen?  
Nein: 26  
weiß nicht/un- weiß nicht/un-  
bekannt: 22 bekannt: 55  
Nein: 27  
Quelle: Forschungsgruppe Wahlen, 30 Jahre Mauerfall. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölke-  
rungsumfrage Juni/Juli 2019.  
Im Folgenden stehen vier Themen im Vordergrund: die Stellung der Treuhandanstalt  
im politischen System der Bundesrepublik, Besonderheiten ihrer Organisation und  
Entscheidungsverfahren, die Bedeutung von Eigentumsrechten für den Transforma-  
tionsverlauf und die Frage nach ihrer demokratischen Legitimation, gesetzlichen An-  
leitung und politischen Kontrolle.  
I. Aufgabe der Treuhandanstalt  
Die Treuhandanstalt mit Hauptsitz in Berlin und 15 Niederlassungen in den früheren  
DDR-Bezirken galt als das größte Unternehmen der Welt. Während die Deutsche  
Einheit in einer historischen Sekunde staatsrechtlich vollzogen wurde, sollte die THA  
über fünf Jahre hinweg die volkseigeneDDR-Planwirtschaft in eine kapitalistische  
Marktwirtschaft überführen. 19.500 Firmen wurden privatisiert, ein Teil kommuna-  
43  
Recht und Politik, Beiheft 8  
Die Treuhandanstalt  
lisiert, der Rest abgewickelt. Daneben konnte sie die ihr zugeigneten Läden, Hand-  
werksbetriebe und Gaststätten sowie einen Teil ihrer Liegenschaften verkaufen (Tabelle  
2). Daraus resultierten Privatisierungserlöse von 67 Milliarden D-Mark und ein Fi-  
nanzierungfdefizit von mehr als 330 Milliarden D-Mark.  
Tabelle 2  
Abschlussbilanz der Treuhandanstalt  
Anzahl  
12.354  
6.321  
225  
Prozent  
100  
Zahl der Firmen  
vollständig privatisiert  
mehrheitlich privatisiert  
vollständig reprivatisiert  
vollständig kommunalisiert  
Besitzeinweisungen  
Liquidationen  
49,4  
2,3  
1.588  
265  
12,9  
2,1  
45  
0,5  
3.718  
27,6  
davon:  
in Bearbeitung  
3.561  
157  
26,7  
0,9  
abgeschlossen  
am 31.12.1994  
192  
5,3  
davon:  
Auslauf-/Restgesellsch.  
Verw.gesellsch./Güter  
nahezu privat./reprivat.  
noch in Bewertungsphase  
noch im Angebeot  
34  
15  
65  
13  
65  
Beschäftigung und Grundbesitz  
Beschäftigung in THA-Unternehmen im Juli 1990  
Beschäftigung in THA-Unternehmen im Mai 1994  
4.100.000  
159.000  
Entlassungen in Treuhandunternehmen und Ex-Treu-  
2.952.000  
handunternehmen  
Privatisierter Grundbesitz  
Verpachteter Grundbesitz  
486,8 km2  
12.241,0 km2  
Quellen: Czada, Vom Plan zum Markt: Die radikale Massenprivatisierung der DDR-Wirtschaft,  
Jahrbuch für Europäische Verwaltungsgeschichte 1995, 307.; Siegmund, Organisation der Treu-  
hand und Privatisierungsergebnisse, in: Privatisierungspolitik in Ostdeutschland. hrsg. v. Siegmund,  
Wiesbaden, 2001, 14.  
Warum kostete der Verkaufvon Unternehmen so viel mehr als er am Ende einbrachte?  
Die THA verkaufte nicht Unternehmen, sondern kaufte möglichst zukunftsfähige  
Recht und Politik, Beiheft 8  
44  
Roland Czada  
Unternehmenskonzepte, Beschäftigunszusagen und Investitionspläne. Wer dies ver-  
traglich versprechen konnte, durfte mit finanzieller Unterstützung rechnen etwa zur  
Beseitigung ökologischer Altlasten, zur Tilgung von Altschulden3 oder für den Aufbau  
wettbewerbsfähiger Produktionsstätten. Hinzu kommen Verwaltungs- und Berater-  
kosten Die THA beschäftige auf dem Höhepunkt ihrer Tätigkeit über 4.600 Mitar-  
beiter und ein Heer von fast 2.000 externen Beratern, die überwiegend zur Bewertung  
und Bilanzierung von Firmen herangezogen wurden.4 Finanziert wurde sie durch die  
Begebung von Treuhandanleihen, verbrieft in Sammelurkunden zu je 10 Mrd. DM, die  
Investoren weltweit zu Zinscoupons von knapp sieben Prozentgezeichnet hatten.5 Diese  
Schuldverschreibungen und andere Verbindlichkeiten wurden in einem Erblastentil-  
gungsfondszusammengefasst, der 2015 vollständig getilgt und aufgelöst wurde.  
II. Organisation, Rechtsform und Kontrollstrukturen  
Die Treuhandanstalt, das Unmögliche unternehmen6, war ihrer Rechtsform nach ein  
organisatorisch ausgegliederter Teil der Bundesverwaltung nach Art. 86, 87 Abs. 3 S. 1  
GG. Tatsächlich war sie eine Zwitterkonstruktion, angesiedelt an der Schnittstelle  
zwischen Wirtschaft und Exekutive, eine Behörde im Gewand einer Unternehmens-  
holding.7 Ihre Ziele, Zwecksetzung und Handlungsgrundlage unterlagen dem Eini-  
gungsvertrag, dem Treuhandgesetz, Vermögensgesetz, Vermögenszuordnungsgesetz,  
Investitionsvorranggesetz, Hemmnisbeseitigungsgesetz und weiteren gesetz-  
lichen und untergesetzlichen Regelwerken. In diesem Normenkleid konnte sie  
sich ausweislich zahlreicher Detailanalysen recht frei bewegen. Die Bundesregierung  
hatte ihre Rechts-und Fachaufsicht kaum wahrgenommen. Die Direktiven kamen  
aus Präsidium und Vorstand, die wiederum von einem zunächst 16, später  
24köpfigen Verwaltungsrat kontrolliert wurden.  
Der Verwaltungsratwar nach sozialpartnerschaftlich-tripartistischen Proporzregeln  
der alten Bundesrepublik zusammengesetzt worden. Neben dem Unternehmerlager  
waren Gewerkschaften, Landesregierungen sowie die Bundesministerien für Finanzen  
(BMF)und Wirtschaft (BMWi) vertreten. Damit folgte man Vorbildern wirtschafts-  
politischer Krisenregulierung etwa in Form der Konzertierten Aktionder 1960er  
Jahre, bei der Bewältigung des Strukturwandels in der Kohle- und Stahlindustrie der  
3
Insgesamt flossen mehr als 120 Milliarden D-Mark in die Tilgung von Altkrediten sowie  
Kosten für ökologische Sanierungsvorhaben.  
4
5
Czada, Gegenwartskunde 1994, S. 185 (194).  
Czada, in: Lehmbruch (Hrsg.), Einigung und Zerfall. Deutschland und Europa nach dem Ende  
des Ost-West-Konflikts, 1995, S. 73.  
6
7
Czada, (Fn. 4).  
Cadel, Die Kontrolle der Treuhand-Anstalt und ihrer Unternehmen durch das Finanzmini-  
sterium, den Rechnungshof und das Parlament, 1994.  
45  
Recht und Politik, Beiheft 8  
Die Treuhandanstalt  
1970er Jahre und bei der Privatisierung von Infrastrukturmonopolen in den 1980er  
Jahren.8  
Tabelle 3  
Representation im THA-Verwaltungsrat (1991 Zahl der Sitze)  
Industrie  
9
6
4
2
Landesregierungen  
Gewerkschaften  
Bundesregierung  
Quelle: THA-Organisationshandbuch, Abschnitt 1.1.1.1  
Auch die Beiräte bei den Bezirksniderlassungen (Rostock, Neubrandenburg, Schwerin, Postdam,  
Frankfurt (Oder), Magdeburg, Cottbus, Halle, Leipzig, Erfurt, Dresden, Karl-Marx-Stadt  
(Chemnitz), Gera, Suhl, Berlin) waren gruppenpluralistisch zusammengesetzt. Hier fanden sich  
neben Wirtschaftskammern, Gemeinden und Gewerkschaften auch Vertreter von Kirchen,  
Landwirtschaft und lokalen Bürgerforen.  
Tabelle 4  
Gruppenrepräsentation in den Beiräten der 15 Niederlassungen der Treuhandanstalt  
(Sitze und Prozentanteile zum 1.3.1991, Berlin: Juni1991)  
Industrie- und Handelskammern  
Kommunen  
45 (33%)  
28 (20%)  
18 (13%)  
14 (10%)  
14 (10%)  
Gewerkschaften  
Landesregierungen  
Kirchen  
Landwirtschaft  
Bürgerforen  
9
9
(7%)  
(7%)  
Summe  
137 (100%)  
Quellen: THA-Büro Bonn, Anhang zum Bericht Grundsätze der Zusammenarbeit von Bund,  
neuen Ländern und Treuhandanstalt für den Aufschwung Ost, 28.11.1991. Daten zu Berlin:  
Protokoll der konstituierenden Sitzung des THA-Bezirksbüros Berlin am 11.6.1991.  
Die Rechtsstellung des Verwaltungsrates war der von Aufsichtsräten in Aktiengesell-  
schaft nachgebildet: Bestellung und Abberufung des Vorstands, Überwachung der  
Geschäftsführung, Einsichts- und Prüfungsrechte, regelmäßige Unterrichtung durch  
8
Zugespitzt bedeutet korporatistische Strukturpolitik, dass der Staat zahlt, die Wirtschaft plant  
und die Gewerkschaften in Sozialplänen bestimmen wer entlassen wird: Esser/Fach/Väth, Kri-  
senregulierung, Zur politischen Durchsetzung ökonomischer Zwänge, 1983; vgl. Czada, dms –  
der moderne staat Zeitschrift für Public Policy, Recht und Management 2/2019, 23. Die  
sozialpartnerschaftlich korporatistische Politik ist auch unter dem Begriff Modell Deutsch-  
landbekannt geworden: Markovits, The Political economy of West Germany, Modell  
Deutschland, 1982; Czada, Leviathan 1/1998, 24.  
Recht und Politik, Beiheft 8  
46  
Roland Czada  
den Vorstand, Zustimmungpflicht bei der Aufstellung des Wirtschaftsplanes, Kapi-  
talmarktgeschäften, Unternehmensgründungen und bei Privatisierungen, Sanierungen  
oder Stilllegungen sofern das Bilanzvolumen oder der Umsatz fraglicher Firmen über  
150Mill. DM lagodermehrals1.500Beschäftigtebetroffenwaren. AlleindasRechtder  
Berufung und Abberufung des Präsidenten und der Mitglieder des Vorstandes (§ 3  
Abs. 2 TreuhG) offenbart die Machtfülle des Verwaltungsrates und dessen Rolle als eine  
unter Haftungsfreistellung operierende Nebenregierungder Vereinigungspolitik.  
Die Wahrnehmung ihrer Fachaufsicht bewertete die Bundesregierung grundsätzlich als  
Ermessensfrage. Ob sie selbst tätig wird oder ihre Aufsichtsfunktionen an Externe  
abgibt, unterliegt demnach einem Opportunitätsprinzip. Selbst die Ausführung  
wichtiger Aufgaben der Fachaufsicht durch externe Unternehmen, die gleichzeitig die  
betroffene nachgeordnete Einrichtung beraten, ist eine faktisch gängige, allerdings vom  
Bundesrechnungshof gerügte Praxis.9  
DiemeistenGesetzeundErlasse derVereinigungspolitikkonntedie Treuhandanstaltals  
deren Adressat maßgeblich beeinflussen. Fünf Durchführungsverordnungen, die allein  
im ersten halben Jahr zum Treuhandgesetz erlassen wurden sowie das 1991 verab-  
schiedete Hemmnisbeseitigungsgesetz, das Investitionsvorrangesetz, das Register-  
verfahrensbeschleunigungsgesetz oder das Treuhand-Kreditaufnahmegesetz zeugen  
von einem äußerst beweglichen Gesetzgeber, der Impulse aus der Treuhandanstalt  
umgehend legislativ umsetzte. Das vereinigungsbedingte Vermögensrecht ist bis zu  
dreimal jährlich novelliert worden.10 Der Vorgang erinnert an Carl Schmitts  
motorisierte Gesetzgebungsmaschinedie Gesetzesvorgaben umgehend an sich  
rasch ändernde Verhältnisse anpasst, deren Formulierung extra-legislativen Ak-  
teuren überlässt, dabei in kurzer Voraussicht vereinfacht und beschleunigt, wodurch  
ständige weitere Novellierungen unausweichlich werden.11  
Die parlamentarische Kontrolle der Treuhandanstalt war zunächst einem Unteraus-  
schuss des Haushaltausschusses des Bundestages übertragen worden. Im Vergleich zu  
Bundes- und Landesregierungen hatten Parlamente auf die Überwachung und Steue-  
rung der Treuhandanstalt nur geringen Einfluß. Indes war der Bundestag als Gesetz-  
gebungsorgan überaus produktiv, vor allem während der Vereinigungskrise 1991/92, als  
Reparaturgesetzein Serie gefertigt wurden. Dabei ist im Vermögengesetz (VermG) die  
9 Beschlußempfehlung und Bericht des 2. Untersuchungsausschusses Treuhandanstalt,  
Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode, BT-Drs. 12/8404, 55f.; Bundesrechnungshof, Ab-  
schließende Mitteilung an das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat über die  
Prüfung Fachaufsicht der Bundesministerien über ihre nachgeordneten Geschäftsbereiche,  
Querschnittsprüfungsmitteilung, 20.12.2019.  
10 Wiedenfels, Das Vermögensgesetz Restitution im Zeitenwandel, Die offenen Vermögensfra-  
gen nach der Wiedervereinigung, 2019; Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus  
(Hrsg.), VermG. Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Kommentar), Loseblatt,  
Stand: 42. EL 2020.  
11 C. Schmitt, Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft, 1950, S. 30f.  
47  
Recht und Politik, Beiheft 8  
Die Treuhandanstalt  
ursprüngliche Stoßrichtung um 180 Grad gewendet worden: Aus dem Prinzip  
Rückgabe vor Entschädigungwurde das Prinzip Entschädigung vor Rückgabe.12  
Bemerkenswert ist, dass die Finanzierung der deutschen Einheit an der parlamentari-  
schen Haushaltsgesetzgebung vorbei erfolgte. Die üblichen Lenkungsmechanismen  
und Zustimmungsvorbehalte des parlamentarischen Budgetrechtes waren auf die  
Treuhandanstaltalsrechtsfähige AnstaltdesöffentlichenRechtesnichtanwendbar.13 Sie  
war ein Nebenhaushalt zur Schaffung der Deutschen Einheit, ebenso wie der Kredit-  
abwicklungsfonds, die Staatliche Versicherung der DDR in Abwicklung, der Fonds  
Deutsche Einheit und der spätere Erblastentilgungsfonds. Sie finanzierte sich durch  
unbesicherte commercial papers und Treuhandanleihen, die in Abstimmung von THA-  
Vorstand, Bundesbank, Finanzministerium und der Frankfurter Börse begeben wur-  
den.14 Die zur Nutzung zeitgemäßer Finanzierungsinstrumente benötigte Finanz-  
software hatte der Flugzeugbauer Airbus zur Verfügung gestellt.15 Die Politik hatte die  
darin zum Ausdruck kommende Grenzöffnungzwischen dem Staatssektor, para-  
staatlichen Instanzen, Verbänden und der Privatwirtschaft ausdrücklich befürwortet.  
Als Finanzier der deutschen Einheit und des Aufbaues-Ost spielen die beitragsfinan-  
zierten Träger der Sozialversicherung eine besondere Rolle. Sie leisten bis heute West-  
Ost Transfers, die über den Umfang des föderalen Finanzausgleichs hinausgehen.16 Mit  
dem Einigungsvertrag war die gesamte Sozialgesetzgebung auf das Beitrittsgebiet“  
übertragen worden, damit auch alle Ansprüche auf Versicherungsleistungen, die  
überproportional durch Beiträge aus wirtschaftlich starken Regionen finanziert werden.  
Während europäische Nachbarländer Sozialbeiträge im Rahmen neoliberaler Reformen  
kürzten, mussten sie in Deutschland vereinigungsbedingt erhöht werden. Dies pro-  
vozierte heftige Kritik von Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften und befeuerte  
eine jahrelang anhaltende Standortdebatte.17  
III. In den Netzwerken der Vereinigungspolitik  
Warum hat sich die Treuhandlösung gegenüber anderen, etwa in den postsozialistischen  
Nachbarländern praktizierten AnsätzenderPrivatisierung durchgesetzt?Tatsächlich gab  
es eine Fülle alternativer Vorschläge. Bei einem Treffen von Abgesandten der Urtreu-  
hand, des DDR-Wirtschaftsministeriums, des Bundeskanzleramts und zwei Mitglie-  
12 Czada, in: ders./Wollmann (Hrsg.), Von der Bonner zur Berliner Republik. 10 Jahre Deutsche  
Einheit, 2000, S. 467.  
13 Spoerr, Treuhandanstalt und Treuhandunternehmen zwischen Verfassungs-, Verwaltungs- und  
Gesellschaftsrecht, 1993.  
14 Czada, Jahrbuch für Europäische Verwaltungsgeschichte 7 (1995), S. 307.  
15 Interview des Verfassers mit Paul Hadrys, Abteilungsleiter Finanzen der THA, am 6.4.1994.  
16 Czada (Fn. 5); Ritter, Der Preis der deutschen Einheit, Die Wiedervereinigung und die Krise  
des Sozialstaats, 2006.  
17 Czada, Leviathan (Fn. 8).  
Recht und Politik, Beiheft 8  
48  
Roland Czada  
dern des CDU-Wirtschaftsrates mit Vertretern der deutschen Banken am 18.5.1990  
forderten letztere eine privatautonome Privatisierungsagentursowie die rasche Um-  
wandlung von Großunternehmen in selbständige Aktiengesellschaften. Nur dies könne  
unternehmerischen Grundsätzengerecht werden. Eine paritätische Besetzung von  
Leitungsgremien mit Vertretern von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite stieß auf  
vehemente Ablehnung.18 Zugleich wollten die Banken, als Kreditgeber fungieren und  
den Vorsitz in Aufsichtsräten von THA-Firmen einnehmen. Indes ist die Rechtsform  
Aktiengesellschaft als marktwirtschaftliches Symbol schlechthin19 nie realisiert wor-  
den, obwohl das Treuhandgesetz solche Aktiengesellschaften vorsah. Detlev Karsten  
Rohwedder, der mehr als sein Vorgänger, Rainer Maria Gohlke und seine Nachfolgerin  
Birgit Breuel als Repräsentant des sozialpartnerschaftlichen Modells Deutschland  
auftrat, verfügte im August 1990, wenige Tage nach Übernahme des Präsidentenamtes,  
den Verzicht auf die Bildung von Treuhand-Aktiengesellschaften.  
Die Regierungen der neuen Bundesländer forderten anfangs die Aufspaltung der  
Treuhandanstalt in Länderbehörden. Die DDR-Bürgerrechtsbewegung verlangte die  
Ausgabe von Anteilscheinen am Volksvermögenoder dessen Auktionierung, wie es in  
anderen postsozialistischen Staaten praktiziert wurde. Hinzu kam die Idee, jedem  
DDR-Bürger 50.000 DM zu geben, womit sie sich als Einzelpersonen oder gemein-  
schaftlich ihre eigenen Arbeitsplätze schaffen sollten.20 Die Zeitungen des Jahres 1990  
waren voll von Einfällen oft aus Beratungsfirmen und breiten öffentlichen Debatten,  
die zumeist in der Realität keinen Niederschlag gefunden hatten. Wie also kann die  
eigentümliche, teils gegen gesetzliche Vorgaben verstoßende Entwicklung erklärt wer-  
den?  
Die Antwort liegt zum einen in situativen Herausforderungen und dem Eindruck, nur  
durch Stärkung des Treuhandvorstands also ohne Aufspaltung in Treuhand-AGs oder  
Ländertreuhandanstalten sei das 1990 absehbare Chaos zu bändigen. Darin kommt  
ein bislang wenig beachtetes Moment korporatistischer Steuerung zum Vorschein. In  
korporatistischen Arrangements erfüllen hierarchisch organisierte, teilautonome Mo-  
nopolverbände Aufgaben der Formulierung und Ausführung von Politik sowie der  
Abstimmung mit staatlichen Instanzen und weiteren Verbandsakteuren. Korporatismus  
beruht auf Kontaktnetzwerken auf Spitzenebene. So sollen sachverständige, von Re-  
gierungsmehrheiten unabhängige Problemlösungen und deren unmittelbare Vollzug  
erreicht werden. Hinzu tritt ein Momentlegitimatorischer Staatsentlastung. Tatsächlich  
operierte die Treuhandanstalt unabhängig von parlamentarischen Mehrheiten. Und sie  
18 Bundesarchiv, Information über eine Beratung mit Vertretern der Banken, Berlin 18.5.1990,  
in: BArch, DC 20/11799.  
19 Seibel, in: Wehling (Hrsg.), Deutschland Ost Deutschland West: Eine Bilanz, 2002, 199  
(201f.).  
20 Grottian, in: Grözinger (Hrsg.), Nur Blut, Schweiß und Tränen?, Alternativen zum Kata-  
strophenhandeln bei der deutschen Einigung, 1991, S. 97  
49  
Recht und Politik, Beiheft 8  
Die Treuhandanstalt  
zog Kritik und Aggression auf sich, die in anderer Konstellation die Bundesregierung  
getroffen hätte.21  
In der politischen Architektur der Treuhandanstalt kommen charakteristische Merk-  
male des politischen Systems zum Vorschein. Deutschland gilt in der länderverglei-  
chenden Demokratieforschung als Verhandlungsdemokratie, in der das Mehrheits-  
prinzip von Kompromißzwängen überlagert wird.22 Anders als im hierarchischen  
Einheitsstaat mit alleinverantwortlicher Mehrheitsregierung, resultiert Politik aus Ko-  
alitionsverhandlungen, Verhandlungszwängen im Verbundföderalismus, neo-korpo-  
ratistischer Verbändebeteiligung und körperschaftlicher Selbstverwaltung. Dazu zählen  
die Gestaltung der Berufsbildung durch Kammern und Gewerkschaften, die  
Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger und Kassenärztlichen Verein-  
igungen, technische Nor-mungsgremien, die sozialpartnerschaftliche Tarif-  
autonomie und Mitbestimmmung bis hin zu den öffentlich-rechtlichen Medien-  
anstalten, zum Religionskorporatismus und zur Hochschulautonomie.23  
Die von fachlicher Autonomie geprägte Arbeitsweise der Treuhandanstalt charakteri-  
siert sie als ein für Deutschland typisches, an der Schnittstelle von Staat, Markt und  
Gesellschaft angesiedeltes Organisationsgebilde. Neben der Einbindung von gesell-  
schaftlichen Gruppen kommt dies auch in der Finanzierung durch Nebenhaushalte  
sowie einer Korona von Beiräten, sogenanten Treuhandkabinettender Länder, einem  
Leitungsausschuss, 21 Kanzlergesprächen mit Verbands- und Firmenvertretern oder  
der Ludewig-Rundein der Berliner Außenstelle des Kanzleramts zum Ausdruck.  
Der THA-Leitungsauschuß entstand aus der Situation der Währungsumstellung. Mit  
der Währungsunion am 1.7.1990 sollten alle Unternehmen ihren Bedarf an Be-  
triebsmitteln in DM-Beträgen bei der Treuhandanstalt anmelden, aufgeschlüsselt nach  
Lohnzahlungen, Sozialbeiträgen, Auftragsabwicklung, Investititonen etc. Da die Ur-  
treuhandnoch nicht direkt der Bundesregierung unterstand, aber von ihr finanziert  
wurde, musste ein Weg gefunden werden, diese Anträge in ihrem Sinne weniger nach  
rechtlichen als nach betriebswirtschaftlichen Kriterien zu überprüfen. Damit wurden  
Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen beauftragt, die nach der staats-  
rechtlichen Vereinigung den Treuhand-Leitungsausschuß bilden sollten. Als eigen-  
ständiges, in der Treuhandanstalt tätiges aber ihr nicht eingegliedertes Beratungsorgan  
des Bundesfinanzministeriums hatte er fortan alle in der Zentrale eingehenden Un-  
ternehmenskonzeptionen geprüft und Empfehlungen zu deren Behandlung ausge-  
sprochen.  
21 Seibel, in: Wehling (Fn. 19).  
22 Lehmbruch, Verhandlungsdemokratie, Beiträge zur vergleichenden Regierungslehre, 2003.  
23 Damit unterscheidet sich Deutschland zusammen mit anderen, einst dem alten Reich zuge-  
hörigen Nachbarländern Schweiz, Österreich und die Niederlande vom Rest der Welt.  
Lehmbruch, Swiss Political Science Review 4/1996, S. 1; vgl. Schuppert, Die Erfüllung öf-  
fentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, Eine verwaltungswissen-  
schaftliche Untersuchung, 1981.  
Recht und Politik, Beiheft 8  
50  
Roland Czada  
Ein politisches Koordinationsgremium hohen Ranges entstand mit Einrichtung der  
Ludewig-Rundebenannt nach dem Staatssekretär im Bundeskanzleramt Johannes  
Ludewig. Ab Mai 1991 sollte sie die Umsetzung der Beschlüsse zum Aufbau Ost  
begleiten und wechselseitig überwachen. Später diente sie auch der Vorbereitung von  
Gesprächen des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer  
und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin. Beteiligt waren neben Ludewig  
der Generalbevollmächtigte der Treuhandanstalt unddie Chefs der Staatskanzleien  
der neuen. Länder. Themen waren der Finanzbedarf der neuen Bundesländer,  
aktuelle Wirtschaftsfragen, Initiativen zum Aufbau Ost, Verwaltungshilfen,  
Osthandel und Hermes-Kreditabsi-cherungen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen  
sowie jeweils aktuelle Fragen wie die Übertragung von Liegenschaften des Bundes  
auf Länder oder die Tätigkeit der Straf-verfolgungsbehörden in der Treuhandanstalt.  
Die Ludewig-Runde war durch Multilateralität, hohe Verbindlichkeit, Regelmäßigkeit  
und Häufigkeit des persönlichen Zusammentreffens gekennzeichnet. Hier waren die  
politischen Schaltzentralen auf einer Arbeitsebene unterhalb der Regierungschefs und  
des Treuhandpräsidiums verbunden. Anders als in der weit seltener und formloser  
zusammentretenden Bonner Kanzler-Runde zum Aufbau-Ost, koordinierten sich die  
politischen Exekutiven in einem kleinen Kreis ohne Beteiligung gesellschaftlicher In-  
teressen. Anders als in den bilateralen Treuhandkabinetten der Länder wurden vor-  
nehmlich allgemeine, länderübergreifende und politisch brisante Fragen der ökono-  
mischen Systemtransformation und der Gesetzgebung behandelt.  
In den Netzwerken der Vereinigungspolitik und des Aufbaues Ost trat die Treu-  
handanstalt als zentrale Schnittstelle und Mittler zwischen staatlichen und gesell-  
schaftlichen Akteuren auf.  
IV. Sektorale Variationen und Eigentumsrechte  
Die marktwirtschaftliche Transformation verlief in einzelnen Sektoren höchst unter-  
schiedlich. Industrie; Landwirtschaft, Medien, Gesundheit, Handel, Banken, Infra-  
struktur, Bildung und Forschung entwickelten sich nicht im Gleichklang. Die Erfor-  
schung und Erklärung dieser Unterschiede bietet tiefe Einblicke in die Probleme und  
Arbeitsweisen sowie Erfolge und Mißerfolge der Treuhandanstalt und der Vereini-  
gungspolitik ingesamt.24  
Die öffentliche Aufmerksamkeit richtete sich überwiegend auf die Privatisierung, Sa-  
nierung und Abwicklung von großen Kombinatsbetrieben. Dort kam es zu den meisten  
Betriebsschließungen und Massenentlassungen, sozialen Konflikten und öffentlich-  
keitwirksamen Protestaktionen bis hin zu Werksbesetzungen und Hungerstreiks gegen  
die Treuhandanstalt. Deutlich reibungsloser ging die Privatisierung von Dienstlei-  
24 Czada/Lehmbruch (Hrsg.), Transformationspfade in Ostdeutschland: Beiträge zur sektoralen  
Vereinigungspolitik, 1998; Czada, in: Lorenz (Hrsg.), Ostdeutschland und die Sozialwissen-  
schaften: Bilanz und Perspektiven 20 Jahre nach der Wiedervereinigung, 2011, S. 315.  
51  
Recht und Politik, Beiheft 8  
Die Treuhandanstalt  
stungsbetrieben, Handelsunternehmen, Läden, Gaststätten, Hotels, Banken und  
Medienhäusern vonstatten. Großteils kamen hier westdeutsche Aufkäufer zum Zuge.  
Für sie bot sich eine einmalige Chance territorialer Markterweiterung. Der Lebens-  
mittelhandel, Kraftfahrzeughandel, Hotels, Banken und Medien wurden rasch unter  
westdeutschen Firmen aufgeteilt. So waren westdeutsche Filialbetriebe des Lebens-  
mittelgroß- und Einzelhandels, die westdeutschen Banken und Sparkassen sowie die  
großen Zeitungshäuser schon vor der Wirtschafts- und Währungsunion und der dar-  
auffolgenden staatsrechtlichen Vereinigung, im Osten präsent.  
Auch die Privatisierung der Landwirtschaft verlief reibungslos, wo mit Austritt aus einer  
Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft die Rückerstattung von zwangskol-  
lektiviertem Bodeneigentum verbunden war. Die Privatisierung des staatlichen und aus  
Betrieben abgespaltenen Bodeneigentums oblag zwei THA-Tochtergesellschaften und  
späteren THA-Nachfolgern: der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG)  
und der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft mbH zur Verwertung und Verwaltung  
sonstiger Liegenschaften (TLG Immobilien). Auch wenn über Jahre hinweg ein juri-  
stischer Streit über die Rechtmäßigkeit besatzungsrechtlicher Enteignungen tobte, und  
sich das westdeutsche Ideal des bäuerlichen Familienbetriebs nicht durchsetzen konnte,  
schlug die Transformation der Landwirtschaft weniger Wunden als die Privatisierung  
des Industriesektors. Reibungslos verlief die Transformation auch im öffentlichen  
Bildungssektor wenn man von politisch bedingten Entlassungen an Universitäten  
absieht. Kaum Probleme verursachte auch das Gesundheitswesen, obwohl hier der im  
Einigungsvertrag garantierte Fortbestand der DDR-Polikliniken vom Streben der Ärzte  
nach freier Niederlassung konterkariert wurde.25  
Warum verlief die Industrietransformation im Vergleich zu anderen Branchen so  
schleppend und konfliktreich? Zum einen waren die Märkte der Konsum- und Inve-  
stitionsgüterindustrie weggebrochen. Niemand wollte noch Automarken, Möbel oder  
Küchengeräte aus der untergegangenen DDR kaufen. Selbst auf der Höhe der Zeit  
produzierende Unternehmen des Anlagenbaues Kräne, Aufzüge, Werkzeughersteller  
fanden keine Abnehmer, weil ihre Märkte in den osteuropäischen COMECON-  
Staaten am Boden lagen. Ähnliches galt für Bergbau, Werften und Hüttenindustrie.  
Bei der Industrieprivatisierung musste die THA unerwartete Rückschläge hinnehmen.  
Frühe Ostphantasienhatten sich bereits in der Vereinigungskriseder Jahre 1991/92  
in Luft aufgelöst, darunter der Plan, das Eisenhüttenkombinat Ost (EKO) mit seinen  
engen Verbindungen ins russische Erzrevier um Tscherepowetz als Produktions- und  
Lieferstandort von hochwertigen Stahlsorten für die erwartete Massenmotorisierung  
Osteuropas auszubauen. Neben den im früheren Ostblock zu verzeichnenden Wirt-  
schaftseinbrüchen machte die Einführung der D-Mark Exporthoffnungen der DDR-  
Industrie zunichte. Infolge der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion mit der  
westdeutschen Bundesrepublik wurden Löhne, Materialkosten und Produkte in D-  
25 Wasem, Von der Poliklinikin die Kassenarztpraxis, Versuch einer Rekonstruktion der Ent-  
scheidungssituation ambulant tätiger Ärzte in Ostdeutschland, 1992.  
Recht und Politik, Beiheft 8  
52  
Roland Czada  
Mark abgerechnet. Dies traf neben Produktivitätsrückständen und organisatorischen  
Defiziten der Planwirtschaft die DDR-Wirtschaft ins Mark.  
In Verlauf und Ergebnis unterschiedliche Transformationspfade können mit beson-  
deren ökonomischen Umständen und mitder Spezifik vonEigentumskonflikten erklärt  
werden. Nicht alle Sektoren erwiesen sich als gleichermaßen konfliktträchtig. Der am  
längsten schwelende und die Justiz intensivst tangierende Konflikt bestand im Wi-  
derstreit von Treuhandprivatisierung, vermögensrechtlicher Naturalrestitution und  
Entschädigungsleistungen für den Verlust nicht restituierbaren Eigentums. In der DDR  
enteignete Alteigentümerverlangten ihren Besitz zurück, hatten aber oft weder die  
Kenntnis, noch den Willen, noch die Mittel, ihn investiv zu nutzen und damit den  
Aufbau-Ost voranzubringen. Sie hofften nur auf Wertsteigerung. Wenn aber viele mit  
Investitionen warten wollen, bis die Wirtschaft wächst, wächst die Wirtschaft nie. Die  
Politik musste also, erstens, den Investititonsvorrang gesetzlich festschreiben und,  
zweitens, die anfängliche Devise Rückgabe vor Entschädigungumdrehen. Beides  
geschah mit dem Investititonsvorranggesetz vom 14.7.1992 und durch fortlaufende  
Änderungen am Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen.  
Die Regelwerke der ersten Transformations- und Vereinigungsphase waren noch ganz  
vom Modell des Institutionentransfers geprägt, wonach die neuen Bundesländer eine  
Kopie der westdeutschen Bundesrepublik werden sollten. So war es im Einigungsvertrag  
vorgesehen. Indes verlangte die Situation ständige Anpassungen, mit denen Abwei-  
chungen vom ursprünglichen Ziel verbunden waren. Fast durchwegs kamen die In-  
itiativen dazu aus dem unmittelbaren Vereinigungsmanagement. Die Exekutiven vor  
Ort gaben die Richtung vor. Der Gesetzgeber besserte nach, nicht zuletzt um die  
Judikative für einen erwarteten Ansturm von Widerspruchsverfahren zu wappnen.  
Strategieanpassungen der THA lassen ich an der Abfolge ihres Spitzenpersonal ablesen:  
Nachdem der erste Präsident der Urtreuhand, Peter Moreth, noch von einer soziali-  
stischen Marktwirtschaft geträumt hatte, der zweite, Rainer-Maria Gohlke, über  
langfristigen Umbauplänen grübelte und sein Nachfolger Detlev Rohwedder eine fö-  
deral und sozialpartnerschaftlich ausgehandelte Transformation eingeleitet hatte,  
vollzog die wirtschaftsliberal eingestellte Birgit Breuel als vierte, letzte und am längsten  
amtierende THA-Päsidentin die endgültige Wende zur radikalen Massenprivatisierung.  
Rohwedder war von 1969 bis 1978 Staatssekretär der SPD im Bundeswirtschaftsmi-  
nisterium und hatte sich bei der Bewältigung der westdeutschen Strukturkrisen der  
späten 1970er Jahre als erfolgreicher Sanierer erwiesen. Sein Satz Schnell privatisieren,  
entschlossen sanieren, behutsam stilllegenwurde zum Mission Statement der Treu-  
handanstalt. Am 1.4.1991, wurde er in seinem Wohnhaus durch einen Schuss aus 63  
Metern Entfernung ermordet. Die Tat wurde nie aufgeklärt.26  
26 Gellert, in: GS f. Rohwedder, 2012, S. 23; W. Schäuble, ebenda, S. 3.  
53  
Recht und Politik, Beiheft 8  
Die Treuhandanstalt  
V. Demokratische Legitimation der Treuhandanstalt  
In Demokratien geht idealiter alle Macht vom Volke aus. Jedes hoheitliche Handeln soll  
im Einklang mit der Verfassung stehen, die Berufung der Amtswalter auf gewählte  
Organe zurückgehen und deren Tun an allgemeine Gesetze gebunden sein. Diese  
Prinzipien funktioneller, organisatorisch-personeller sowie sachlich-inhaltlicher Legi-  
timation fanden unter dem Begriff LegitimationskettentheorieEingang in die Ver-  
fassungsrechtsprechung. Damit wird alles staatliche Handeln auf die Willensäußerung  
des Volkes im Parlament zurückführt. Die Politikwissenschaft hat diese auf Input-  
Legitimation gestützte juristische Sichtweise um das Konzept der Output Legitima-  
tionerweitert.27 Legitimität wäre demzufolge auch an Ergebnissen der Politik zu  
messen.  
Der alleinige Verweis auf Input-Legitimation läßt die verfassungskonforme Legiti-  
mierung intermediärer Aufgabenträger prekär erscheinen, umso mehr, wenn sie in ihren  
Entscheidungen stark von nichtstaatlichen Verbandsakteuren und Experten beinflußt  
sind. Dem Demokratiegebot mit seinen Prinzipien gleicher Beteiligungschancen,  
Transparenz und Öffentlichkeit sowie Verantwortlichkeit28, konnte die Treuhandan-  
stalt offenkundig nicht genügen. Im Gegenteil: Ihre Arbeit war von selektiver Beteili-  
gung, Nichtöffentlichkeit und Verantwortungsdiffusion gekennzeichnet. Dies kam in  
den Verhandlungen mehrerer parlamentarischer Untersuchungsausschüsse in Bund  
und Ländern zur Tätigkeit der Treuhandanstalt zum Ausdruck.29 Dabei wurde auch  
deutlich, dass die Zweckbestimmung und faktische Selbständigkeit der Treuhandan-  
stalt explizit auf die Erwartung spezifischer Leistungen auf der Outputseite des politi-  
schen Systems zurückging Leistungen, die sich der Staat selbst nicht zutraute.  
Die entstandenen komplexen Strukturen der Interorgankontrolle, an denen Bund,  
Länder, Verbände, Firmen Berater, und Experten beteiligt waren, vermitteln das Bild  
einer von Informalität und Improvisiation geprägten Adhokratie, die im Gegensatz  
zum bürokratischen Prinzip agiert. Bürokratisches Handeln ist einer festen Struktur  
untergeordnet. Dagegen bleiben in der Adhokratie Handeln und Struktur fluide30.  
Die Beantwortung der Demokratiefrage hängt auch davon ab, inwiefern die Treu-  
handanstalt hoheitlich tätig war und ob damit intensive Grundrechtseingriffe verbun-  
den waren. Der von ihr massiv betriebene Arbeitsplatzabbau wurde sozialstaatlich ab-  
gefedert. Er erscheint weniger problematisch als Eigentumstransfers und deren Aus-  
27 Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, 1972; ders., FS f. Lehmbruch,  
1993, S. 25; Benz, in: Greven (Hrsg.), Demokratie eine Kultur des Westens?, 1998, S. 201.  
28 Benz in: Greven (Fn. 27), S. 201f.  
29 Treuhandanstalt, Bericht des 2. Untersuchungsausschusses des 12. Deutschen Bundestages,  
BT-Drs. 12/8404; Landtag Sachsen Anhalt, Bericht und Beschlußempfehlung Drs. 1/3746  
25.5.1994 Untersuchungsausschuss betr.: Treuhandanstalt, 1994.  
30 Der Pressesprecher der Treuhandanstalt, Wolf Schöde, bezeichnete die Mitarbeiter der Treu-  
handanstalt gegenüber dem Verfasser wörtlich als Verwaltungspartisanen. Zum Begriff der  
Adkokratie vgl. Russell-Walling, 50 Schlüsselideen Management, 2011, S. 4 (zur Adhokratie).  
Recht und Politik, Beiheft 8  
54  
Roland Czada  
wirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung. Ex-Kanzler Helmut Schmidt nannte  
die THA eine für die Landesregierungen und Landtage aller östlichen Bundesländer  
überaus mächtige, mit großen Kompetenzen und Finanzmitteln ausgestattete weitge-  
hend informell agierende Nebenregierung, worin die Frage ihrer demokratischen  
Legitimation anklingt31 Eigentumskonflikte bekamen besondere Brisanz, weil Ver-  
mögensverluste jeglicher Art unter mehreren politischen Regimen zu klären und rund  
eine Million Anträge auf Rückgabe zu entscheiden waren. Eigentumsrechtliche Folgen  
des NS-Terrors, Enteignungen der Besatzungszeit und mehrere Sozialisierungswellen in  
der DDR waren von eigens eingerichteten Vermögensämtern abzuarbeiten.  
In der Treuhandanstalt sprach man nicht in juristischer Manier von Eigentum, sondern,  
wie Ökonomen und Manager, von Vermögen als dem, was Eigentum vermag bezie-  
hungsweise als Wirtschaftsgut zum Aufbau-Ost beitragen konnte. Die Rede von of-  
fenen Vermögensfragenverdeutlicht, dass es weniger um die juristische Begründung  
oder Wiederherstellung von Eigentumsrechten ging als um Fragen der Vermögens-  
verteilung und des Lastenausgleichs, in die neben juristischen Aspekten politische,  
soziale und wirtschaftliche Erwägungen einflossen. Bei den Verhandlungen des Bun-  
desverfassungsgerichts zu Fragen von Restitution und Entschädigung stand keineswegs  
die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes im Vordergrund, sondern der Gleichheits-  
grundsatz, das Rechtsstaatsprinzip und das Sozialstaatsgebot.32 Das Ziel, geschehenes  
Unrecht zu heilen, andererseits neue Besitzstände mit eigener Berechtigung zu schützen  
und dabei den ökonomischen Aufbau-Ost nicht über Gebühr zu beeinträchtigen,  
erforderte ein politisch abwägendes statt rein rechtsdogmatisch begründetes Vorgehen.  
Die Berücksichtigung v o n Rückübertragungsansprüchen in Kaufverträgen der THA  
w ar infolge der mit Restitutionsanträgen überlasteten Vermögensämter erschwert.  
Fortlaufende Gesetzesanpassungen stärkten die Position der Treuhandanstalt. Wo eine  
einvernehmliche Regelung zwischen Restitutionsberechtigten und qua Privatisie-  
rungsvertrag verfügungsberechtigten Investoren nicht erzielbar war, konnte man auf ein  
gesetzlich abgesichertes Investitionsvorrangverfahren zurückgreifen.33 Von den bei  
Vermögensämtern gestellten Anträgen auf Rückerstattung bezogen sich 244.181 auf  
Treuhandunternehmen oder Ex-Treuhandunternehmen. Davon gingen 159.683 in  
Widerspruchsverfahren und 64.691 landeten vor Verwaltungsgerichten.34 Die ständige  
Reparaturgesetzgebungund die an ihr orientierte Rechtssprechung sind insofern  
31 H. Schmidt, Auf dem Weg zur deutschen Einheit, Bilanz und Ausblick, 2005.  
32 Ossenbühl, in: Ipsen/Rengeling/Mössner (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel: Wiederverei-  
nigung Deutschlands, Deutschland in der Europäischen Union, Verfassungsstaat und Föde-  
ralismus. 1995, S. 129.; BVerfGE 84, 90.  
33 Insbes. Hemmnisbeseitigungsgesetz (PrHBG; Gesetz zur Beseitigung von Hemmnissen bei der  
Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen) und Investititonsvor-  
ranggestez (InVorG: Gesetz über den Vorrang für Investitionen bei Rückübertragungsan-  
sprüchen nach dem Vermögensgesetz).  
34 Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV), Statistische Über-  
sichten zum 31.12.2015.  
55  
Recht und Politik, Beiheft 8  
Die Treuhandanstalt  
materiellrechtlich der Lage Herr geworden. Daneben wurden 33 Strafverfahren gegen  
Mitarbeiter der Treuhandanstalt wegen Bestechlichkeit und Untreue eingeleitet.35  
VI. Fazit und Nachwirkungen  
Die Tätigkeit der Treuhandanstalt glich einem Balanceakt: Sie mußte gesetzliche  
Vorgaben, Restitutionsansprüche, Investitions- und Beschäftigungsziele, Altschulden-  
übernahmen, die ökologische Altlastensanierung, Infrastrukturaufgaben und Erfor-  
dernisse der Daseinvorsorge (z.B. bei der Vermögenszuordnung an öffentliche Aufga-  
benträger) so in Relation bringen, dass die Interessen jeweiliger Bundes- und Länder-  
resorts, der Kommunen, Kommunalverbände, Kammern, Unternehmen, Wirt-  
schaftsverbände, Gewerkschaften und Belegschaften, Investoren und Alteigentümer  
möglichst berücksichtigt wurden. Dabei stießen Fragen des Beschäftigungserhaltes und  
der Investititionsförderung auf zuweilen extentielle Interessengegensätze. Für Vertreter  
der Wirtschaft, die im Verwaltungsrat der Treuhandanstalt die Mehrheit bildeten war  
von Belang, welcheInvestitionshilfensieihren potentiellenWettbewerbern indenneuen  
Ländern zuführt und welche Industriestruktur durch die Tätigkeit der Treuhandanstalt  
geschaffen wird.  
Die Netzwerke der Vereinigungspolitik, in denen die Treuhandanstalt zentral posi-  
tioniert war, können als Abbild der deutschen Verhandlungsdemokratie begriffen  
werden. An der Schnittstelle von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft entstand ein Or-  
ganisationsgebilde, das stark vom kooperativen Föderalismus sowie Traditionen des  
Verbändekorporatismus und funktionaler Selbstverwaltung geprägt war. Ergänzend  
erklärt die in der deutschen Staatstradition angelegte Erfüllung öffentlicher Aufgaben  
durch selbständige Verwaltungseinheiten36 die Entstehungsbedingungen und Poten-  
tiale der Treuhandanstalt.37  
Wenn wir uns in einem Gedankenexperiment vorstellen, wie die deutsche Vereinigung  
in einem Einheitsstaat ohne Institutionen intermediärer Machtteilung und Aufga-  
benerfüllung, dafür mit parlamentsabsolutistischen Zügen wie der britischen West-  
minsterdemokratie, oder in einem republikanisch-legalistischen Staat wie in Frankreich  
zu bewerkstelligen gewesen wäre, wird deutlich, wie stark Merkmale des Politischen  
Systems und der Einfluß gegenmajoritärer Kräfte die Vereinigungspolitik und ihren  
letztlichen Erfolg geprägt haben.  
35 Vgl. Boers (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, 2010;  
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ingrid Remmers,  
Katrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Die Linke. BT-  
Drs. 17/9880.  
36 Schuppert (Fn. 23).  
37 Schuppert, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1992, S. 186; vgl. Huppertz/Mackscheidt, in:  
Tiepelmann/van der Beek (Hrsg.), Theorie der Parafiski, 1992, S. 67.  
Recht und Politik, Beiheft 8  
56  
Roland Czada  
Die Treuhandanstalt hat keineswegs den anfangs von vielen befürchteten zentralisti-  
schen Schub im politisch-administrativen System ausgelöst.38 Stattdessen wurde sie zu  
einer Hybrid-Organisation, die institutionelle Morpheme der DDR-Wirtschaftsver-  
waltung in ihrem organisatorischen Zentrum mit solchen der föderativen und neo-  
korporatistischen Strukturen der westdeutschen Bundesrepublik in sich vereinte.39  
Tatsächlich verraten Entwicklung und Arbeitsweise der Treuhandanstalt sehr viel über  
den arbeitenden Staat in Deutschland, darüber, wie Politik, Verwaltung und Wirtschaft  
in ihren wechselseitigen Bezügen funktionieren. Sie erscheint in der Rückschau nicht als  
ein der deutschen Staats- und Verwaltungstradition aufgezwungener Fremdkörper. Auf  
Grundlage der von Detlev Rohwedder initiierten Weichenstellung, konnte sie sich fast  
nahtlos in das politische administrative System einfügen und nach kurzer Dauer wieder  
beendet werden beziehungsweise in ihren Nachfolgeorganisationen aufgehen. Auch  
wenn ihre Tätigkeit im Ergebnis bis heute nachwirkt und den Nachgeborenen noch  
lange in Erinnerung bleibt, hat sie das Denken über Politik, Verwaltung, Organisation  
und Management nicht nachhaltig beeinflußt.  
38 Vgl. Oschmann/Raab, Politische Vierteljahresschrift (PVS) 2002, S. 445.  
39 Seibel, in: ders./Benz (Hrsg.), Regierungssystem und Verwaltungspolitik: Beiträge zu Ehren von  
Thomas Ellwein, 1995, 216 (247f.).  
57  
Recht und Politik, Beiheft 8