Die Treuhandanstalt
V. Demokratische Legitimation der Treuhandanstalt
In Demokratien geht idealiter alle Macht vom Volke aus. Jedes hoheitliche Handeln soll
im Einklang mit der Verfassung stehen, die Berufung der Amtswalter auf gewählte
Organe zurückgehen und deren Tun an allgemeine Gesetze gebunden sein. Diese
Prinzipien funktioneller, organisatorisch-personeller sowie sachlich-inhaltlicher Legi-
timation fanden unter dem Begriff „Legitimationskettentheorie“ Eingang in die Ver-
fassungsrechtsprechung. Damit wird alles staatliche Handeln auf die Willensäußerung
des Volkes im Parlament zurückführt. Die Politikwissenschaft hat diese auf Input-
Legitimation gestützte juristische Sichtweise um das Konzept der „Output Legitima-
tion“ erweitert.27 Legitimität wäre demzufolge auch an Ergebnissen der Politik zu
messen.
Der alleinige Verweis auf Input-Legitimation läßt die verfassungskonforme Legiti-
mierung intermediärer Aufgabenträger prekär erscheinen, umso mehr, wenn sie in ihren
Entscheidungen stark von nichtstaatlichen Verbandsakteuren und Experten beinflußt
sind. Dem Demokratiegebot mit seinen Prinzipien gleicher Beteiligungschancen,
Transparenz und Öffentlichkeit sowie Verantwortlichkeit28, konnte die Treuhandan-
stalt offenkundig nicht genügen. Im Gegenteil: Ihre Arbeit war von selektiver Beteili-
gung, Nichtöffentlichkeit und Verantwortungsdiffusion gekennzeichnet. Dies kam in
den Verhandlungen mehrerer parlamentarischer Untersuchungsausschüsse in Bund
und Ländern zur Tätigkeit der Treuhandanstalt zum Ausdruck.29 Dabei wurde auch
deutlich, dass die Zweckbestimmung und faktische Selbständigkeit der Treuhandan-
stalt explizit auf die Erwartung spezifischer Leistungen auf der Outputseite des politi-
schen Systems zurückging – Leistungen, die sich der Staat selbst nicht zutraute.
Die entstandenen komplexen Strukturen der Interorgankontrolle, an denen Bund,
Länder, Verbände, Firmen Berater, und Experten beteiligt waren, vermitteln das Bild
einer von Informalität und Improvisiation geprägten „Adhokratie“, die im Gegensatz
zum bürokratischen Prinzip agiert. Bürokratisches Handeln ist einer festen Struktur
untergeordnet. Dagegen bleiben in der Adhokratie Handeln und Struktur fluide30.
Die Beantwortung der Demokratiefrage hängt auch davon ab, inwiefern die Treu-
handanstalt hoheitlich tätig war und ob damit intensive Grundrechtseingriffe verbun-
den waren. Der von ihr massiv betriebene Arbeitsplatzabbau wurde sozialstaatlich ab-
gefedert. Er erscheint weniger problematisch als Eigentumstransfers und deren Aus-
27 Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, 1972; ders., FS f. Lehmbruch,
1993, S. 25; Benz, in: Greven (Hrsg.), Demokratie — eine Kultur des Westens?, 1998, S. 201.
28 Benz in: Greven (Fn. 27), S. 201f.
29 Treuhandanstalt, Bericht des 2. Untersuchungsausschusses des 12. Deutschen Bundestages,
BT-Drs. 12/8404; Landtag Sachsen Anhalt, Bericht und Beschlußempfehlung Drs. 1/3746
25.5.1994 Untersuchungsausschuss betr.: Treuhandanstalt, 1994.
30 Der Pressesprecher der Treuhandanstalt, Wolf Schöde, bezeichnete die Mitarbeiter der Treu-
handanstalt gegenüber dem Verfasser wörtlich als „Verwaltungspartisanen“. Zum Begriff der
Adkokratie vgl. Russell-Walling, 50 Schlüsselideen Management, 2011, S. 4 (zur Adhokratie).
Recht und Politik, Beiheft 8
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